Lektorenrundbrief Nr. 14 (Mai 2001)


Inhalt


Beratung perfekt: Neue Visabestimmungen für japanische Staatsangehörige

Ein Ausflug in die rätselhafteWelt der japanischen Politik

Deutschland und die deutsche Sprache in ihrer Bedeutung für die japanische Politikwissenschaft

Brief aus Südkorea: Querpass WM 2002

Rezension: "Einblicke"

Die Didaktikecke: Die Stadt Atagiin - Ein Unterrichtsvorschlag

Das Archiv
Profile - alt und neu

Termine, Termine!

Die Redaktion 

Für den Lektorenrundbrief verantwortlich sind: 

Anne Gellert (A.G.), 
Mechthild Duppel-Takayama (M.D.-T.), 
Ralph Degen (R.D.), Stefan Hug (S.H.), 
Frank Nitsche-Robinson (F.N.-R.) 
und Till Weber (T.W.)
 

Übrigens: Der Lektorenrundbrief ist über das DAAD-Büro in Tokyo zu bekommen.

DAAD-Außenstelle Tokyo 
Akasaka 7 - 5 - 56, Minato-ku, Tokyo 107-0052 
Tel: (03) 3582 - 5962 
Fax: (03) 3582 - 5554 
Email: [email protected]

Editorial 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, 

wenn Sie diesen Rundbrief auf japanische Art, also von hinten nach vorne lesen würden bzw. gelesen hätten, wären Sie jetzt schon um einige Informationen reicher. 

Sie wären bereits über aktuelle Termine und die neue Adresse der Lektorenhomepage informiert, hätten zwei neue Kollegen aus Saga bzw. Osaka kennen gelernt, hätten Ideen zum Einsatz des Computerlern-programms "Einblicke" bekommen, wüssten, was sich in Dingen Fußballweltmeisterschaft 2002 bei den Lektor(inn)en in Korea tut, hätten einen Ausflug zum Wahlkampf ins farbenfrohe Okinawa hinter sich und wüssten, was Sie Ihren Student(inn)en über besagtes Arbeitsferien-Visum, also das "working holi-day visa", erzählen könnten. Außerdem hätten Sie auch schon erfahren, was Sie durch Änderung der Leserichtung im Unterricht erreichen können. 

Wenn Sie aber, alter Gewohnheit folgend, lieber wieder beim Editorial anfangen, ist das auch nicht ver-kehrt und Sie wissen jetzt, was Sie auf den folgenden elf Seiten so alles erwartet. 

Etwas aus dem üblichen Rahmen fällt ein Aufsatz von Prof. Hirashima zur Bedeutung der deutschen Sprache für die japanische Politikwissenschaft. Dabei handelt es sich um die deutsche Zusammenfas-sung eines auf Japanisch gehaltenen Vortrages anlässlich des 75-jährigen Jubiläums des DAAD, den wir auf nachdrücklichen Wunsch des DAAD im Lektorenrundbrief abdrucken. 
Auch in dieser Ausgabe gibt es das "Archiv", also die Übersicht über die in letzter Zeit von Ihnen veröf-fentlichten Artikel, das wir aber aus Platzgründen auf Veröffentlichungen ab dem Jahr 2000 beschränkt haben. Wir möchten Sie auffordern, auch weiterhin von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen und entsprechende Quellenangaben (jederzeit) an Till Weber ([email protected]) zu schicken. 

Mit den besten Wünschen für das laufende Semester,

Die Redaktion 

Beratung perfekt: 
Neue Visabestimmungen für 
japanische Staatsangehörige 

Eine neue Verordnung zum Ausländergesetz gab die Deutsche Botschaft im Januar bekannt: keine Jahrhundertentscheidung, aber doch eine spürbare Erleichterung für JapanerInnen, die längere Zeit in Deutschland studieren oder arbeiten möchten. 

Seit dem 15. 12. 2000 brauchen diese Personen nicht mehr vor ihrer Einreise ein entsprechendes Visum in Japan zu beantragen. Sie können visafrei nach Deutschland einreisen und anschließend vor Ort bei der Ausländerbehörde die erforderliche Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Wer jedoch keinen Studienplatz an einer Universität bzw. keinen Arbeitsvertrag nachweisen kann, wird Probleme haben. "Visafreie Einreise" bedeutet in diesen Fällen eben nicht, dass man für Deutschland keine Aufenthaltserlaubnis mehr benötigt; es bedeutet lediglich, dass man keinen Visumsstempel der Deutschen Botschaft mehr braucht. 

Diese Bestimmung bezog sich übrigens bisher nur auf die EU, die Schweiz und die USA. Seit Dezember gehören neben Japan auch Israel, Kanada, Australien und Neuseeland zum Kreis der Privilegierten. 

Die "working holiday visa" genannte Möglichkeit eines Ferien-Arbeitsaufenthaltes in Deutschland oder Japan, gerüchteweise schon seit einiger Zeit bekannt, ist seit dem 1. 12. 2000 in Kraft. Dieses gebührenfreie Visum gilt für ein Jahr (!) und kann von jungen Leuten zwischen 18 und 30 Jahren beantragt werden. Die "jungen Leute", wie es die Botschaft formuliert, müssen japanische (bzw. deutsche) Staatsangehörigkeit haben. Ausge- schlossen sind damit Angehörige der koreanischen Minderheit in Japan. 

Die Beantragung ist nur über die Botschaft oder ein Generalkonsulat im Heimatland möglich. Nachgewiesen werden müssen Flugticket, Krankenversicherung und 2000 Euro (bzw. 200.000 Yen für Deutsche, die nach Japan reisen wollen) für den Anfang als Aufenthaltskosten. Während des Aufenthalts kann man insgesamt 90 Tage arbeiten - eine Möglichkeit also, sich zum Beispiel einen längeren Sprachkurs zu finanzieren. Geeignete Arbeit muss man sich allerdings selbst suchen. Und eine weitere Einschränkung: Das "working holiday visa" bekommt man nur einmal im Leben! 

Weitere Einzelheiten zu beiden Neuerungen geben die Deutsche Botschaft Tokyo (http://www.germanembassy-japan.org) - dort findet sich unter "Rechts- und Konsularwesen" eine ausführliche Erklärung zum working holiday visa und auch am Telefon erhält man sehr freundlich Auskunft - und das Deutsche Generalkonsulat Osaka-Kobe (http://www.cwo.zaq.ne.jp/germangk

M. D.-T. 

Ein Ausflug in die rätselhafte Welt der japanischen Politik 

Im Sommer dieses Jahres stehen die Wahlen zum Oberhaus des japanischen Parlaments an. Nicht, dass unsereins da mitmischen könnte; aber ein subjektiv gefärbter kleiner Ausflug in die Welt der sich bewerbenden Parteien und den Ablauf eines japanischen Wahlkampfs sei auch im Lektorenrundbrief gestattet. 

Die bekannteste japanische Partei ist die Dauerregierungspartei LDP, die Liberal-Demokratische Partei. Bei Lichte besehen erscheint die LPD allerdings weder liberal, noch sehr demokratisch und auch nicht einmal als eine geschlossene Partei, sondern eher als ein Interessenverband, dessen offiziell abgeschaffte, aber real existierende Fraktionen die wichtigen Regierungsposten unter sich aufteilen. Dies geschieht seit nunmehr bald 50 Jahren so, abgesehen von geringfügigen, höchst bedauernswerten Unterbrechungen. 

Auf der Oppositionsseite findet sich vor allem die Demokratische Partei. Während man über die LDP sagen kann, sie sei sehr konservativ, ist die DPJ ziemlich konservativ. Viele ihrer Mitglieder waren ehemals in der LDP aktiv und nach dem Motto "Eine LDP ist dem Wähler lieb, zwei sind ihm hoffentlich noch lieber" machten sie vor einigen Jahren ihren eigenen Laden auf. 

Kommen wir zum verbleibenden Drittel der Parteienlandschaft. Da gibt es die kleine Konservative Partei, deren Chefin Chikage Ogi jeden der geschwätzigen Fernsehshow-Gastgeber unseres Gastlandes lässig an die Wand quatschen kann. Es gibt auch eine Liberale Partei, die natürlich nicht liberal ist. Sie hat sich vor ein paar Jahren von der LDP abgespalten, weil diese ihr zu wenig konservativ war. Dazu konnten sich die jeweiligen Führer nicht mehr riechen und so darf die Liberale Partei in der Regierung nicht mehr mitspielen. Außerdem gibt es noch eine laienbuddhistische Partei, die Neue Komeito-Partei. Zwar haben die Japaner vielleicht keine Religion, wie Japan-Times-Kolumnist Gregory Clark jüngst behauptete, aber immerhin eine religiöse Partei, die in der japanischen Regierung ungefähr derselbe quengelige Juniorpartner ist, dessen Rolle in Deutschland die F.D.P. lange gab. 

Natürlich gibt es auch je eine sozialdemokratische und eine sozialistische Partei, zumindest gab es sie bis vor kurzem. Beide sind nach einer fatalen Koalition mit der LDP Mitte der 90er Jahre implodiert und haben bisher noch keine geeignete Reparaturwerkstatt gefunden. Politisch sind die japanischen Sozialisten ungefähr so progressiv wie die CSU. 

Und schließlich gibt es noch die Kommunisten. Sie heben sich auffällig von den anderen Parteien ab, indem sie tatsächlich die Parteizugehörigkeit ihrer Kandidaten preisgeben, nachdem sie sie zur Wahl aufgestellt haben. Die meisten anderen Parteien vertrauen ihrer Popularität beim Wähler dermaßen, dass sie ihre Kandidaten oft lieber als "Unabhängige" tarnen. So können die Gewählten hinterher im Parlament für eine der reichlich vertretenen konservativen Parteien stimmen, ohne den Wähler vorher vor unnötig schwere Richtungsentscheidungen stellen zu müssen. Die Kommunisten verfahren dagegen nach der Devise "Wo KP drauf steht, da ist auch KP drin" und haben so noch fast jede Wahl verloren. Die Politik der Kommunisten mutet manchmal etwas skurril an, was daran liegen könnte, dass die Redaktion des Parteiblatts gerade Betriebsausflug hatte, als die Berliner Mauer fiel und sich bisher noch niemand getraut hat, es der Parteileitung zu berichten. 

Nachdem nun die wesentlichen Spieler vorgestellt sind, wollen wir uns den Charakteristika eines japanischen Wahlkampfes zuwenden.  Sicherlich hat ihn jeder Bewohner Nippons schon einmal gehört. Wahlkampf äußert sich hierzulande überwiegend akustisch. Wenn Sie einmal genau in das Lautsprechergeschall in der Stadt hineinhören, dann hören Sie aus dem kreischigen Chor der Rechtsradikalen, von Coop und der Reinigung auch manchmal die Namen politischer Kandidaten heraus. Diese schicken, um in irgendein hohes Amt gewählt zu werden, möglichst viele Lautsprecherwagen auf die Straße. Diese Wagen sind mit bildhübschen Wahlkampfhelferinnen bestückt (oft Studentinnen bei der "arubaito"), die aus den Fenstern lächeln und  Winkelemente schwenken, während eine von ihnen unablässig mit monströser Phonzahl den Namen ihres vorübergehenden Arbeitgebers hinausflötet. Die wesentlichen, bei der letzten Kommunalwahl in meiner Stadtgemeinde unter das Wählervolk gebrachten politischen Botschaften waren diese: "Gima - ich werde hart für unsere Stadt arbeiten!" - "Higa - bitte sehen Sie freundlich auf mich herab!" - "Miyagi - Ihr weiterhin hart arbeitender Bürgermeister!" Um sich für den Wähler noch besser zu unterscheiden, flechten manche Politiker außerdem elegant ihre Vornamen ein, die dann nach der Wahl wieder abgeheftet werden. So rufen die Mädels mit sich vor Begeisterung überschlagender Stimme "Ma-sa-nobu!" usw. Bürgermeister Miyagi hatte da schlechtere Karten, aber aus dem einsilbigen "Ken" kann man ja auch "Keeeeeeeeeeen" machen und den Lautsprecher noch etwas weiter aufdrehen. Und das Ganze am besten morgens um sieben vor meinem Haus, damit ich ja nicht zu spät zum Unterricht komme. Das wahrscheinlich raffinierteste Unterscheidungsmerkmal waren aber die Signaturfarben der drei Kandidaten. Gimas Blau zierte seine Plakathintergründe, Krawatten, Schärpen und die Uniformen der Kreisch- und Winkdamen. Bei Higa war es Gelb, bei Miyagi Rosarot. Somit war für ausreichend politische Klarheit gesorgt. 

Wen soll man nun wählen? Dank der Bemühungen der LDP stellt sich diese schwierige Frage für uns Ausländer bislang noch nicht, aber irgendwann könnte es bei Kommunalwahlen soweit sein. Bis dahin kann man es, sofern mit einem (wahlberechtigten) Landeskind verheiratet, mit subtiler Beeinflussung dessen Wahlverhaltens versuchen, um doch irgendwie politisch in der Gemeinde repräsentiert zu sein. So verwickelte ich meine liebe Frau in lange Diskussionen, wen sie denn nun zu wählen beabsichtigte. Bei Gima-Blau gefiel ihr das Gesicht nicht. Higa-Gelb war dafür, einen neuen Kriegshafen für die Amerikaner in unserer Stadt zuzulassen, ein Plan, der eigentlich nur für die Imbissbudenbesitzer an der Küste attraktiv gewesen sein dürfte. Meine Frau aber findet Kriegsschiffe hässlich. Gima-Blau hingegen schien die Ami-Kriegsschiffe ebenso sehr wie Higa-Gelb zu mögen. Blieb Miyagi, dessen rosafarbene Signatur zart anzudeuten schien, was wir schließlich versteckt in einer Tageszeitung bestätigt bekamen: er war der Kandidat, den die "Partei der sozialistischen Massen von Okinawa" unterstützte. Endlich eine klare Aussage! Den Mann hätte ich sicher sofort gewählt. Meine Frau tat es schließlich auch, selbstbestimmt und nach dem Ausschlussprinzip, denn die beiden anderen mochte sie einfach nicht. Und wie sah es aus bei der parallel stattfindenden Stadtverordnetenwahl? 

Das war leicht für meine Frau. Von über zwanzig Kandidaten war nur eine eine Frau, und die hat sie dann gewählt. Lobenswert ist ein politisches System, dass es seinen Wählern so leicht macht, ihre Wahlentscheidungen zu treffen. Auch ohne die Mühe inhaltlicher Auseinandersetzungen und parteipolitischer Festlegung konnte meine Frau zu einem konsequenten, einleuchtenden Wahlakt schreiten. Die Frau wurde am Ende tatsächlich gewählt, offensichtlich reichte eine Wählerinnenbasis von ca. 51% der Wahlbevölkerung  aus. 

Bei der Bürgermeisterwahl hat übrigens ziemlich knapp Gima-Blau vor Higa-Gelb und Miyagi-Rosa gewonnen. Offensichtlich gibt es doch ziemlich viele Imbissbudenbesitzer in der Hafengegend unserer Gemeinde. Im Kleingedruckten der Zeitung fanden wir dann auch die fehlende Information: Gima-Blau war der Kandidat der LDP. Und da sage einer, das Wahlsystem mache keinen Sinn. 

T.W. 

Deutschlandund die deutsche Sprache in ihrer Bedeutung für die japanische Politikwissenschaft 

Die Politik in Deutschland ist der Hauptgegenstand meiner Forschungsarbeit als Politologe. Hier möchte ich die Bedeutung der deutschen Politik für Forschungen in Japan darstellen. Einige Bemerkungen gelten auch dem Sprachproblem, denn für spätere Forschungsvorhaben ist es natürlich wichtig, dass junge japanische PolitologiestudentInnen fremde Sprachen erlernen. 
Doch zunächst soll es um die Frage gehen, ob und warum die deutsche Politik als Gegenstand wissenschaftlicher Arbeit für Japan interessant ist. 

Zunächst einmal: Wäre die deutsche Politik nicht forschungswürdig, würde sie natürlich auch niemand als Gegenstand seiner wissenschaftlichen Arbeit wählen. Nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Unrechtsregimes sind in Deutschland zwei Teilstaaten entstanden. Im westlichen Teil wurde die Bundesrepublik Deutschland unter alliierter Besatzung gegründet. Im Anschluss daran erreichte die Bundesrepublik eine größere politische Stabilität als die meisten anderen westlichen Länder. Zu den grundsätzlichen Fragen, die für die japanische Politikwissenschaft interessant sind, gehören folgende: Wie verankert sich eine neue Demokratie? Wie reagiert ein politisches System auf ökonomische und gesellschaftliche Herausforderungen in demokratischer Weise? Beim Versuch, diese Fragen zu beantworten, stellt die Bundesrepublik ein gutes Beispiel dar. Umgekehrt bieten die instabilen Verhältnisse des politischen Systems in der DDR, und das macht das Besondere des Forschungsgegenstands Deutschland aus, ein zumindest geografisch paralleles Gegenbeispiel. 
Darüber hinaus erlebte Deutschland die historische Erfahrung einer staatlichen Wiedervereinigung und spielt gleichzeitig eine führende Rolle bei der europäischen Integration. Die gegenwärtige und zukünftige Ausgestaltung einer Demokratie, welche auch Erbe der sozialistischen Erfahrungen ist, ist ein zentraler politikwissenschaftlicher Gegenstand, genauso wie die internationale Herausforderung, traditionelle Nationalstaaten in eine demokratisch legitimierte Mehrebenenordnung zu bringen. 
Zu einem ernsthaften Studium der deutschen Politik gehört die Beschäftigung mit der deutschen Politikwissenschaft. Ihre Entwicklung in der Nachkriegszeit wurde stark von amerikanischen Einflüssen geprägt. Die erste Generation der deutschen Politologen, die zumeist in Fächern wie Staatslehre oder Geschichte ausgebildet war, war geneigt, ihre eigenen Erfahrungen vor amerikanischen oder britischen Vorbildern zu beurteilen. Erst nachfolgende Generationen versuchten dann, die Politik in der Bundesrepublik empirisch zu analysieren, wobei sie spezifisch deutsche Aspekte wie Föderalismus, Arbeitsbeziehungen, soziale Sicherheit, Korporatismus und Regierung durch Parteienkoalitionen beachteten. Heute ist es auch für Japaner nahezu unmöglich geworden, deutsche Politik zu erforschen, ohne Kenntnis zu haben von den Methoden und Erträgen der deutschen Politikwissenschaft. 
Trotzdem würden auch solche japanischen Forschungen, die sich zu massiv an die deutsche Politikwissenschaft anlehnen, Gefahr laufen, einseitig zu werden. In den letzten Jahren hat nämlich die deutsche Politikwissenschaft den Aspekt des außereuropäischen Vergleichs vernachlässigt, indem sie sich übermäßig auf die staatliche Vereinigung und die europäische Integration konzentriert hat. Im Gegensatz dazu steht z.B. die amerikanische Politikwissenschaft mit ihrem umfassenden Interessenhorizont und dementsprechend reichhaltigen Forschungsergeb- nissen. Auch wenn die Methoden des Vergleichs langsam in den Vordergrund rücken, wählt die deutsche Forschung ihre Vergleichsländer eher unter den deutschsprachigen oder den skandina- vischen Wohlfahrtsstaaten aus, die besonders in Bezug auf die Arbeitsmarktpolitik als fortge- schrittener angesehen werden. Dagegen werden Vergleiche in der amerikanischen Politik- wissenschaft meistens kulturübergreifend betrieben. 
Noch deutlicher ist die amerikanische Überlegenheit im Ausbildungssystem für den wissenschaftlichen Nachwuchs, zum Beispiel bei Lehrmethodik, Publikationen oder Netzbildung unter den Forschern. Dies spricht übrigens auch für die wachsende Bedeutung der amerikanischen Deutschlandstudien. Man sollte aus japanischer Sicht allerdings auch nicht außer Acht lassen, dass sich die amerikanische Politikwissenschaft unter der hegemonialen Macht der USA entwickelt hat und nicht ganz frei von bestimmten Ideologien ist. Heute erscheinen also solche Forschungen am meisten erfolgversprechend, die sich auf deutsche Forschungsergebnisse stützen, aber auch Publikationen einbeziehen, die in der englischen Sprache verfasst sind. Das Englische erscheint also als die andere Fremdsprache, die für die Erforschung deutscher Politik wichtig ist. Dieses gilt umso mehr, als dass sich auch im Zuge der europäischen Integration Englisch als die wesentliche akademische Sprache der europäischen vergleichenden Politikwissenschaft herausgebildet hat. 

Wie kann nun ein japanischer Politologe zu den Forschungen über Deutschland beitragen? Bekanntlich hat Japan in der Meiji-Epoche bei der Modernisierung des Landes verschiedene Modelle in Deutschland gefunden, etwa bei den Naturwissenschaften, der Industrietechnik, dem Rechtswesen oder auch bei der staatlichen Verwaltung. Obwohl Japan ab 1945 unter einen starken US-Einfluss gekommen ist, weist es noch immer manche institutionelle Gemeinsamkeiten mit Deutschland auf. Außerdem hat Japan auf internationaler Ebene mehreren ähnlichen Herausforderungen gegenüber gestanden. Wenn man die beiden Ländern jeweils eigentümlichen Entwicklungen genügend berücksichtigt, können auch die Forschungsarbeiten japanischer PolitologInnen, die vom deutschjapanischen Vergleich inspiriert sind, zu den Deutschlandstudien unseres Landes Wichtiges beitragen. Japanische PolitologInnen sollten sich also mehr den Entwicklungen in der deutschen, und damit auch in den amerikanischen und europäischen Politikwissenschaften zuwenden. Das heißt aber auch, als eine zentrale Voraussetzung ertragreicher Arbeit Mehrsprachigkeit zu erlangen, wobei neben dem Deutschen auch das Englische bis zu einem angemessenen Standard zu erlernen ist. 

Kenji Hirashima (Universität Tokio) 

QUERPASS WM 2002: 
Fußball - Kultur 

Vom 31. Mai bis zum 30. Juni 2002 sind Japan und Korea gemeinsam Gastgeber der nächsten Fußball-WM. Der Erfolg der Ausstellung zum hundertjährigen Jubiläum des DFB im Oberhausener Gasometer zeigt, dass für das Thema Fußball in der Öffentlichkeit ein nicht zu unterschätzendes Interesse besteht, das sich nicht nur auf den Besuch der Spiele im Stadion beschränkt. Die Kulturwissenschaften sind an dieser Stelle herausgefordert, Präsenz zu zeigen und den anthropologischen Hintergrund zum Fußballspiel auszuleuchten. 

Die Lektorenvereinigung Korea hat auf ihrer letzten Versammlung auch eine intensive Diskussion über die Frage geführt, wie man die Weltmeisterschaft in Korea und Japan zur Stärkung des Deutschen mit einem Aktionsplan nützen könnte. Die Region kann bei deutschen Fans für sich werben, wenn sie darauf aufmerksam macht, dass es hier viele Leute gibt, die gut Deutsch sprechen. Unsere Lektorenrundbriefe könnten dabei mitwirken, indem sie schon ab Herbst 2001 mit Unterrichtsvorschlägen auf die WM vorbereiten. 

Darüber hinaus bietet das Ereignis der WM eine einmalige Chance, im unmittelbaren Vorfeld zur Eröffnung der Spiele in Seoul zu einer Konferenz einzuladen, auf der es darum ginge, einen interdisziplinären, internationalen und interkulturellen Querpass zwischen Sport- und Literaturgeschichte, zwischen Konferenzteilnehmern aus der ganzen Welt, insbesondere aber zwischen Deutschland und der ostasiatischen Region zu spielen. 

Sektionen einer solchen Konferenz könnten sein: 

1. Die Fußballnation: Hier müsste die Mobilisierung nationaler Energien durch deutsche Siege bei den Weltmeisterschaften näher ins Auge gefasst werden. 

2. Mythen und kollektive Bilder des Fußballs, von den "elf Freunden" über "Fairness" bis zu "gelbe und rote Karte zeigen". Hierher gehörte nicht nur die Analyse der Sprache von Fußballreportagen, sondern auch die Analyse von Fußballmetaphorik in den Medien, in der Sprache der Wirtschaft, Politik etc. 

3. Fußball-Geschichten: Neben Literatur (Delius, Vesper, Henscheid, Grass, Politicky ...) könnten in dieser Sektion auch Filme untersucht werden (Winkelmanns "Westkurve", nach Möglichkeit auch Söhnke-Wortmanns "Das Wunder von Bern". Bei Inter-Nationes gibt es den Film "Fußball ist unser Leben" von Tomy Wigand). 

4. Fußball und Geschlecht: In dieser Sektion wäre die Konstruktion von Männlichkeit, aber auch die gender-Inszenierung von Fußballspielerinnen und schließlich auch die Erotik des Fußballspiels näher zu untersuchen. 

5. Fußball unterrichten: Hier wäre der Materialaustausch mit Anregungen für den Unterricht während der unmittelbar bevorstehenden Spiele zu organisieren. 

Neben dem wissenschaftlichen Ertrag einer solchen Konferenz dürfte man sich von ihr auch einen wissenschaftspolitischen Effekt für die Germanistik der Region versprechen. Die Schlagworte Interdisziplinarität und kulturwissenschaftliche Wende stehen wahrscheinlich nicht nur an koreanischen Universitäten hoch im Kurs. Die Kooperation von verschiedenen Disziplinen, konkret der Sport- und der Literaturwissenschaft auf einer kulturwissenschaftlich orientierten Konferenz könnte an einem praktischen Beispiel die Reichweite eines solchen Ansatzes demonstrieren. Die Zielgruppe der reformorientierten Germanisten könnte sich auf dieser Konferenz auf kulturwissenschaftlichem Gebiet akademisch profilieren. 
 
 

Wenn sich in Japan Unterstützung für ein solches Projekt finden ließe, dann würde ich mich über eine Rückmeldung freuen. 

Thomas Schwarz, Keimyung University Daegu, 
Kontakt: [email protected]

Schon mal einen Blick in "Einblicke" geworfen? 

Das Programm ist nicht mehr ganz neu - die erste Folge ist 1997 erschienen. Inzwischen sind es neun zu folgenden Themen: 1. Miteinander, 2. Wohnen und Umzug, 3. Feste - Feiern - Freizeit, 4. Schule und Jugend, 5. Arbeitswelt, 6. Studium, 7. Umwelt und Natur, 8. Kultur für alle und 9. Deutschland, Europa und die Welt. 

Neun Scheiben mit einer unglaublichen Fülle von Material zu Landeskunde, Grammatik, Lese-, Seh- und Hörverständnis, oder wie es in der Broschüre heißt: "Ein multimediales Lernprogramm auf CD-ROM mit Film, Audio, Grafik, Animation und dem umfassenden Stoff des Zertifikats Deutsch als Fremdsprache." 

Ursprünglich handelt es sich um einen Fernsehsprachkurs, unter der Federführung von Inter Nationes entwickelt, mit Begleitmaterialien für Lerner und Lehrer vom Goethe-Institut. Und so sind die zentralen Teile jeder Folge je vier Filme, die verschiedene Aspekte des Oberthemas behandeln. In der ersten Folge beispielsweise sind das 1. Miteinander leben - Paare und Singles, 2. Miteinander klarkommen - Familie Koslowski hat Probleme, 3. Miteinander etwas entdecken - Geschichte aus dem Familienalbum und 4. Miteinander etwas tun - Theaterinitiative Leipzig. In allen Aufgaben und Übungen auf dieser CD-ROM wird auf die Filme Bezug genommen. Oftmals kann der betreffende Filmausschnitt bei einer Übung bzw. Aufgabe abgespielt werden. 

Das Begleitmaterial besteht aus insgesamt sechs Heften für Selbstlerner, von denen mir Nummer eins zu den Folgen eins bis vier vorliegt, von Klaus Vorderwülbecke im Auftrag des GI erstellt. Laut Einführungstext sollten Selbstlerner abgeschlossene Grundstufenkenntnisse bzw. das ZDaF bestanden haben, um mit "Einblicke" selbständig weiter zu lernen. Ich denke aber, es gibt auch Möglichkeiten, schon Anfänger (zum Beispiel kursbegleitend) mit diesem Programm arbeiten zu lassen, wenn man entsprechende Aufgabenblätter erstellt. Im Folgenden möchte ich das an einigen Beispielen zeigen. 

Bilder raten: Aus einem mehrfarbigen Klecks entsteht Schritt für Schritt ein Bild. Man kann den Prozess jederzeit stoppen und raten, also einen Begriff eingeben. (Rechtschreibfehler werden angezeigt und man wird zu erneuter Eingabe aufgefordert.) Liegt man richtig, erntet man Beifall, hat man falsch geraten, ertönt ein fieses "Oink" und das Bild entfaltet sich weiter. Konnte man den Begriff in 25 sec. nicht erraten, erscheint die Lösung. Nach etwa drei Bildern ist eine Runde vorbei und es gibt je nach Rateschnelligkeit Punkte. Das Spiel kann beliebig oft wiederholt werden. Dabei kehren insgesamt etwa 20 Bilder in unregelmäßiger Folge immer wieder. Vokabeln können so eingeführt, geübt und wiederholt werden. Auf einem Arbeitsblatt für Anfänger habe ich die vorkommenden Wörter (mit Genusangabe) aufgelistet und die Student(inn)en zu zweit spielen lassen. Nach dem Spiel sollten die Wörter noch nach einem bestimmten Kriterium geordnet werden. Zum Beispiel sollen in Folge 2 folgende Begriffe erraten werden: Waschmaschine, Sofa, Küchenmaschine, Uhr, Stuhl, Besteck, Regal, Rasierapparat, Bett, Toaster, Kühlschrank, Bügeleisen, Herd, Spiegel, Kaffeemaschine, Topf, Teekanne, Schaukelstuhl, Telefon (und eventuell noch weitere). Diese Wörter lassen sich den verschiedenen Zimmern zuordnen (Küche, Bad, Wohnzimmer, Schlafzimmer usw.). 

"Einblicke" bietet die Möglichkeit, sich Filmszenen nach Sprechintentionen auflisten zu lassen: Begrüßung, Verabschiedung, Ärger, Kritik, Überraschung, jemanden unterbrechen usw. Man kann dann die entsprechenden Filmausschnitte abspielen, den Text nachsprechen, seine eigene Aussprache anhören und mit dem Original vergleichen. Manchmal gibt es auch Erklärungen, zum Beispiel, daß man "Tach" vor allem im Ruhrgebiet benutzt. Auf einem Arbeitsblatt für Anfänger sollten die verschiedenen Redemittel wieder aufgelistet werden und dann kann man die Student(inn)en auf Entdeckungsreise schicken: Wer begrüßt wen, wie und wo. Wer kritisiert wen, wie und warum und so weiter. 

Satzbaumaschinen: Sie sehen aus wie maschinelle Trichter. Aus einem Angebot an vorgegebenen Satzbauteilen schustert man einen Satz, steckt ihn oben in den Trichter, schaltet die Maschine ein und wenn man Glück (oder Grammatikkenntnisse) hat und der Satz sinnvoll bzw. grammatisch korrekt war, kommt er mit einigem Gepolter unten wieder rausgerattert. Solche Maschinen gibt es zum Beispiel für indirekte Fragesätze, für Sätze mit Modalverben oder mit Wechselpräpositionen, für den Komparativ, und in ganz ähnlicher Form auch für die Verbformen des Perfekts. Auf einem Arbeitsblatt für Anfänger müssten wieder die Bauteile aufgelistet sein und dann können die Student(inn)en nach Herzenslust rumprobieren, was die Maschine schluckt, und was nicht. 

An meiner Universität wird gerade ein CALL-Center eingerichtet. Und da ich mir darunter einen Raum vorstelle, in den die Student(inn)en in ihrer freien Zeit gehen können, um selbständig mit Lernprogrammen zu arbeiten, war ich auf der Suche nach Programmen, mit denen erwachsene Anfänger Deutsch lernen können. "Einblicke" bietet dazu hervorragende Möglichkeiten. Nun müssen sich die Zuständigen nur noch dazu durchringen, auch andere Sprachen als Englisch zuzulassen - denn bis jetzt herrscht noch die Meinung vor, dieser Raum sei ein Unterrichtsraum, nur von Lehrpersonen nach vorheriger Voranmeldung zu nutzen - und da hat Englisch natürlich Vorrang. 

Abschließend sollte nicht unerwähnt bleiben, dass "Einblicke" beim Globalen Wettbewerb für audio-visuelle Medien im letzten Jahr bei 131 Teilnehmern aus 16 Ländern den dritten Platz belegt hat. Außerdem empfehlen es die Bildungsministerien von Frankreich und Griechenland für den Einsatz im schulischen Deutschunterricht in ihren Ländern. Und trotzdem scheint es billiger geworden zu sein: Buchkatalog.de bietet ein Scheibchen für neunundfünfzig Mark fünfundneunzig an, während es laut Homepage noch glatte achtundneunzig kostet. Na dann, nichts wie zugeschlagen! Genauere Infos zum Programm, zu den Kosten für Netzlizenzen sowie einen Schnupperkurs gibt es unter www.einblicke.com

A.G. 

Die Stadt Atagiin - ein Unterrichtsvorschlag 

Sicher geht es Ihnen ganz ähnlich: Mir begegnen immer wieder Studenten, die zwar Sprachen lernen wollen, aber keine Wörter. Der Hinweis, dass verbale Sprachen ohne Wörter nun einmal ein Unding seien, löst zwar oft ein Grinsen aus, aber keinen erhöhten Lerneifer. Der lässt sich mit Mitteln wie Vokabeltests natürlich kurzfristig steigern, dann ergibt sich allerdings schnell das nächste "Paradox": Dass die Studenten die Vokabeln beherrschen, heißt nämlich noch lange nicht, dass sie sie im Unterricht auch verwenden. 

Um diesem eigentümlichen Lern- bzw. Nicht-Lernverhalten zu begegnen, habe ich im letzten Jahr in einem Kurs für Fortgeschrittene (im zweiten Studienjahr, die meisten Teilnehmer hatten im ersten Jahr einen Intensivkurs mit vier Doppelstunden pro Woche besucht) ein Projekt unter dem Namen "Atagiin" durchgeführt. Die Veranstaltung lief übers ganze Jahr und hatte zwei Doppelstunden pro Woche, von denen jeweils 30 bis 45 Minuten für das Atagiin-Projekt verwendet wurden. Am Anfang stand der leere Stadtplan einer erfundenen Stadt: Atagiin. (Die Umkehrung des Namens war eigentlich nur ein Gag, wurde von den Studenten aber begeistert aufgegriffen ...natürlich erst, nachdem sie dahinter gekommen waren. Trotz des Doppel-"i" erkannte nur ca. ein Viertel, dass es sich um ein umgekehrtes "Niigata" handelte, japanische Kinder drehen beim Spielen mit Wörtern anscheinend nur die Silbenreihenfolge um). Der Stadtplan wurde gefüllt mit einem Schloss, einem Bahnhof, einer Kirche, einer Konzerthalle, einem Friedhof, einem Berg mit onsen, einem Fluss usw., kopiert und verteilt. Der erste Text stammte von mir und stellte Nafets Guh vor, einen 66jährigen Geschäftsinhaber aus Reyeps, der in seinem Laden in Atagiin vergiftete Fische verkauft. (Diese Geschichte bezieht sich auf ein Rollenspiel, das ich mit den Studenten im ersten Jahr mache: Ein Kunde kommt in eine Tierhandlung und verlangt einen toten Fisch.) Die Bürger von Atagiin kaufen die Fische, um sie nicht mehr in seinem Schaufenster sehen zu müssen, denn die meisten von ihnen arbeiten in der Fabrik, die das Gift in den Fluss leitet. Der Bürgermeister hat vorgeschlagen, eine Mauer um den See zu bauen, um das Fischsterben nicht mehr länger mit ansehen zu müssen. 

Dann wurde festgelegt, in welcher Reihenfolge die Studenten Texte über erfundene Atagiin-Bürger schreiben. Dabei galt die Spielregel: Was einmal geschrieben wurde, ist für die folgenden Kursteilnehmer verbindlich. Wenn also, wie unter deutlichem Harry-Potter-Einfluss geschehen, eine Studentin schreibt, die Hexe von Atagiin sei 142 Jahre und damit genauso alt wie die Stadt selbst, ist die Stadt nicht älter als 142 Jahre. Die Abschlussarbeit bestand darin, in Fünfergruppen eine Chronik von Atagiin zu schreiben, indem sich  jeder aus der 142jährigen Rahmenhistorie, die die Gruppe zuerst festlegte, eine Epoche oder ein Ereignis herausgreift und dazu einen Text schreibt. 

Durch die Verbindlichkeit der bereits geschriebenen Geschichten entsteht ein zunehmender Verweis der Texte aufeinander, und das Vokabular der Vorgänger kann mitbenutzt werden (es dauert nicht lange, bis die Studenten merken, dass sie so Zeit sparen). Vielleicht empfiehlt sich, was mir aber erst im Verlauf des Projekts klar wurde, eine Verschärfung der Regel dahingehend, dass jede neu eingeführte Person in einem Zusammenhang zu der vorhergegangenen stehen sollte.  Eine weitere Regel: Beim Verfassen ihrer Texte, die meistens eine Din-A-4-Seite lang waren, sollten die Studenten möglichst wenige Wörter verwenden, die sie selbst erst nachschlagen mussten. Jedes nachgeschlagene Wort war in eine vom Text getrennte Vokabelliste einzutragen. 

Mit den Texten sind dann die unterschiedlichsten Übungsformen möglich. Die Studenten können den Text lesen, die Wörter unterstreichen, die sie nicht verstehen, und dann mit ihren Nachbarn vergleichen und versuchen, sie entweder aus dem Kontext zu erraten oder ähnliche englische Vokabeln zu finden. Dabei trainieren sie, nicht an jeder unbekannten Vokabel hängenzubleiben. Danach kann der Autor oder die Autorin zu den Vokabeln befragt werden, deren Bedeutung sich immer noch nicht erschlossen hat, wobei sich üben lässt, wie Wörter erklärt werden können (durch hinweisendes Zeigen, Paraphrasieren, Beispielsätze, Definitionen). Fragen zum Text, aber auch solche, die darüber hinausgehen, geben die Möglichkeit, den Umgang mit Quellen zu üben und Ausdrücke wie: "Das steht nicht im Text.", "Im Text steht nur, dass ..." usw. 

Nachdem die Studenten den Text gelesen und die Vokabeln mit ihrem Nachbarn bzw. dem Autor geklärt hatten, d.h. nach zwei- bis dreimaliger Lektüre (deswegen sollten die Geschichten nicht länger als eine Din-A-4-Seite sein, habe ich dem ganzen Kurs zuerst Verständnisfragen gestellt ("Wie heißt der Mann in dieser Geschichte? Was ist er von Beruf? Lebt er schon immer in Atagiin?"), dann gezielt darüber hinaus gehende Fragen wie: "Warum ist er nicht verheiratet? Lebt er gern in Atagiin? Mögen ihn die Leute?", die aus dem Text zu erschließen waren, und schließlich Fragen, zu denen spekuliert werden musste: "Mögen es die Leute in Atagiin, wenn die Journalisten lügen? Warum lesen sie lieber Lügen als die Wahrheit?" usw. Im besten Fall, aber das kommt natürlich nur selten und nach Ermutigung vor, fangen die Studenten selbst an, Fragen an den Autor oder die Autorin zu stellen. 

Ich glaube, es ist nicht nur der ersten Geschichte zuzuschreiben, dass viele Texte eher düster ausfielen. Sicher sind Missstände spannender zu beschreiben als idyllische Verhältnisse, das Problem hatte ja schon Dante. Und vielleicht bieten die Texte auch einen Einblick in die "kollektive Psyche" japanischer Jugendlicher. Sie scheint von organisierten Gangstern, korrupten Polizisten (immerhin eine Reaktion auf die aktuellen Polizeiskandale hier in der Präfektur), lügenden Journalisten und Waisen bevölkert zu sein. Der Bürgermeister heißt Retlih (eine aussprachebedingte Kontamination), ein Messerwerfer wird gedungen, ihn zu beseitigen, im Wald gibt es angeblich ein Monster (das sich dann aber doch nur als Nafets Guh herausstellt), ein Großteil der Bevölkerung scheint dem Alkohol verfallen zu sein, und der Traum vom Fliegen (der "wahren Freiheit") endet mit dem Erstickungstod des träumenden Rathausangestellten. Dazwischen gibt es ein paar Lichtblicke, bei denen allerdings auffällt, dass die Protagonisten entweder Kinder sind oder nur mit Kindern zu tun haben wollen wie die Harry-Potter-Hexe oder der Weihnachtsmann, der übrigens auch in Atagiin wohnt, weil ihm Lappland auf Dauer zu langweilig war. Was kann man da noch sagen? Schöne Bescherung! 

S.H. 

Veröffentlichungen von Lektoren (ab 2000)
 

Dr. Torsten Schlak: [email protected]

Adressatenspezifische Grammatikarbeit im Fremdsprachenunterricht: Eine qualitativ-ethnographische Studie. Hohengehren: Schneider Verlag, 2000. 

Wirtschaftsdeutsch - Definitionsversuche eines undefinierbaren Begriffs. Deutsch als Fremdsprache in Korea 6 (2000): 150-164. 

mit K. Blex: Fremdsprachenerwerbsforschung im Hochschulfach Deutsch als Fremdsprache: Bestandsaufnahme und Perspektiven. In: K. Aguado and C. Riemer (Hg.) Wege und Ziele - Zur Theorie, Empirie und Praxis des Deutschen als Fremdsprache (und anderer Fremdsprachen) Hohengehren: Schneider Verlag, 2001. 103-116. 
 

Rudolf Reinelt: [email protected]

Von AYA nach AYAMARU - Die Derivation eines Sprechaktverbs, In: Ehime daigaku ho-gakubu ronshu jinnbunn-gakka hen dai-8-go. 2000, p. 283 - 309. 

Speech Act Verbs in Tai Languages - Theoretical Background and Research methods - In: Proceedings of The International Conference on Tai Studies, Institut of Language and Culture for Rural Development Mahidol University, 2000, p. 341-360. 

Muendliche Pruefungen im Unterricht DaF in Japan. In: Der Deutschunterricht in Japan (Nihonn dokubunngaku-kai doitugo kyoiku-bukai kaiho), Der Japanische Deutschlehrerverband, 2000, p. 118-123. 
 

Deutsch auf der anderen Seite. Asiatische Germanistentagung, Fukuoka. Dokumentation (21.-24. August 1999) Schwellenueberschreitungen.  Tokyo: Sanshuusha 2000, p. 918- 924. 

Communicating Communications. In. Communication Association of Japan Chugoku-Shikoku Chapter Inaugural Meeting at Ehime University, Fac. of Law & Letters, Sat., Febr. 13, 1999, CAJ Chu-shi Newsletter 2, p. 4-7. 

How Japanese Got an Article. In. AILA' 99 Tokyo, (12th World Congress of Applied Linguistics, in Waseda University, August 1-6, 1999. in: Proceedings of the 12th World Congress, Tokyo: 2000. 

Communication Prospects for the New Millenium. Communication Associaton of Japan Chuugoku- Shikoku Chapter 2nd meeting, Matsuyama, 19.02.2000. 

Sprechakt/handlungsausdruecke (SAX) und Schriftentwicklung -1. In: Ehime daigaku ho-gakubu ronshu jinbun-gakka hen dai-9-go2000, p.269 - 285. 

Theory and Practice in German Language Teaching in Japan (in German). (Zusammen mit Kamiya Yoshihiro, Nakagawa Shinji, Sabine Lobe, Miyauchi Nobuko). In: The Proceedings of the JALT 25th Annual International Conference on Language Teaching & Learning and Educational Materials Expo. Tokyo. The Japan Association for Language Teaching. p. 217-224. 

Bangemachen gilt nicht: Keine Angst vor Japanisch. In: An japanischen Hochschulen lehren. Muenchen, Iudicium, 2000. p.285 - 295. 

Arbeits-, sozial- und steuerrechtliche Aspekte der Taetigkeit deutscher Lehrkraefte in Japan - zugleich: Zur Integration in das japanische Arbeitsumfeld. (Zusammen mit Albrecht Roesler). In: An japanischen Hochschulen lehren. Muenchen, Iudicium, 2000. p.217 - 250. 

(im Erscheinen) Sprechakt/handlungsausdruecke (SAX) und Schriftentwicklung -2. In: Ehime daigaku ho-gakubu ronshu jinbun-gakka hen dai-10-go 2001. 

Guido Oebel 

Ich heiße Guido Oebel, bin 44 Jahre alt, gebürtiger Rheinländer und mit einer Japanerin verheiratet. Wir haben einen 18-monatigen Sohn namens Albert Shinnosuke und ich bin seit dem WS 2000/01 als "associate professor" an der Universität Saga tätig. 

Während meiner 20er Jahre machte ich zunächst mein Hobby Tennis zum Beruf. Gegen Ende meiner aktiven Tenniskarriere verdingte ich mich als Sportanimateur u.a. bei Club Med, Robinson sowie als Verbandstrainer beim Westfälischen Tennisverband. 

Nach der Ausbildung zum Betriebswirt und einem Trainee-Programm in Japan beendete ich in Deutschland meine Studien zum Dolmetscher / Übersetzer mit den Sprachen Englisch, Spanisch und Portugiesisch. Dem folgten die Promotion mit einem kontrastiven Thema zur deutsch-englischen Syntax (1994) sowie zwei Zusatzstudiengänge in DaF (1995) und Erwachsenenbildung (1996). 

Schon während meiner Studien arbeitete ich überwiegend freiberuflich in der Fremdsprachen- und DaF-Ausbildung Erwachsener, u.a. von Spätaussiedlern. Von 1997 bis zu meiner Ausreise nach Japan war ich als so genannter Ausbilder (Terminologie aus der Handlungsorientierung) von RehabilitandInnen mit technischem - u.a. IT-Berufe - und kaufmännischem Englisch beim Berufsförderungswerk Michaelshoven in Köln tätig. Dort betreute ich zudem das Horizon-Projekt "Facilitated Communication - Gestützte Kommunikation von nicht-sprechenden Menschen (Autisten)" in Kooperation mit der VHS Köln und der Heilpädagogischen Fakultät der Uni Köln. 

Schließlich habe ich die letzten zehn Jahre nebenberuflich bei der Deutschen Welle in Köln, beim Portgugiesischen Dienst ILAP und beim Monitor-Dienst gearbeitet, wo ich unter anderem als Ressortleiter für "Medien International" und "Wirtschaft Aktuell" in freier Mitarbeit tätig war. 

Meine Aufgabe hier in Japan sehe ich darin, unseren StudentInnen mittels Handlungsorientierung und Lernerzentrierung ein Mindestmaß an kommunikativer Kompetenz zu vermitteln. Trotz dieser in der Tat Herkulesarbeit bin ich - noch - zuversichtlich! 

Guido Oebel 

Torsten Schlak 

Ich bin in Bochum geboren und aufgewachsen. Studiert und promoviert habe ich an der Universität Bielefeld. Mein Fach ist Deutsch als Fremdsprache (Sprachlehrforschung) und ich beschäftige ich mich hauptsächlich mit "Zweitsprachenerwerbsforschung", "Fremdsprachendidaktik" und "computergestütztem Fremdsprachenlernen".  Meine Dissertation ist am "Department of Second Language Studies/ESL" der "University of Hawai'" entstanden, wo ich als Doktorand mehrere Semester studiert und geforscht habe. Zudem konnte ich an der University of South Florida und an der University of Toronto Unterrichtserfahrungen als Deutschlehrer sammeln und war zuletzt Wissenschaftlicher Mitarbeiter  im Magister- und Promotionsstudiengang Deutsch als Fremdsprache der Universität Bielefeld. 

Auf meine Zeit in Hawai'i geht auch mein Interesse an Japan zurück. Außer mir waren alle meine Freunde auf Hawai'i entweder Japaner, sprachen Japanisch, hatten in Japan gelebt oder zumindest Japan mehrfach bereist. Japan wurde für mich unerwartet zum Mittelpunkt meiner Welt und meines Interesses. Ich wollte nicht mehr länger in den USA oder Kanada sein, sondern unbedingt Japan kennen lernen. Jetzt bin ich schon fast ein Jahr in Osaka und wirklich froh, hier zu sein. Der Unterricht macht viel Spaß und Kansai hat kulturell so viel zu bieten, dass es mir sicher nie langweilig werden wird. 

Torsten Schlack 

Termine

8. 6.  Großes LektorInnentreffen, Tôkyô Gaikoku-go Daigaku 
 (Tokyo University of Foreign Studies), Fuchû 

9./10. 6.  Frühjahrstagung der Japanischen Gesellschaft für Germanistik, 
 Tôkyô Gaikoku-go Daigaku, Fuchû 

30.7.-4.8. XII. Internationale Tagung der Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer 
 (www.idt-2001.ch), Luzern 

August  29. Linguistenseminar mit Prof. Dr. Elisabeth Leiss 
 (Otto-Friedrich-Universität Bamberg), Kyoto 

November  Fachseminar des DAAD für Lektorinnen und Lektoren 

M.D.-T.